Trauer um Peter Hofmann

HofmannDer Tenor starb mit 66 Jahren - er war ein Gratwanderer zwischen Klassik und Popularität. Ein Pionier, der zu früh kam. Und zu früh starb. in der B.Z und dem Weser-Kurier hat Axel Brüggemann seine Erinnerungen an den Sänger in einem Nachruf aufgeschrieben.
Es gibt Begegnungen, die ein Nachleben hinterlassen. Meine Begegnung mit Peter Hofmann war so eine.
Ich bin zu jung, habe ihn nicht mehr live als Siegmund gesehen - damals, in Patrice Chéreaus Jahrhundert-„Ring” in Bayreuth. Diesen Auftritt voller Lust und Leidenschaft, den Helden mit dem nackten, muskulösen Oberkörper und der kraftvollen Stimme, kenne ich nur von der DVD.
Peter Hofmann, das war für mich der etwas andere Heldentenor der 90er-Jahre. Einer der dem Klassik-Geschäft irgendwann den Stinkefinger zeigte. Ein blonder Lockenkopf, der Deutschlands „Phantom der Oper” wurde, der mit Elvis-Songs und Rock-Balladen durch Stadthallen tingelte - einer, der mit dem Motorrad zu Proben kam.
Nachdem ich seine Opern mit Karajan und Bernstein entdeckt hatte, nachdem seine lyrische, kraftvolle, wahre Stimme mich begeistert hatte, wollte ich ihn kennenlernen. Damals war Peter Hofmann schon einige Zeit von der Bildfläche verschwunden. Niemand wusste, warum. Wir haben uns bei ihm zu Hause verabredet.
Ich fuhr durch das Fichtelgebirge, auf verträumten Landstraßen, bis ich das Dorf Friedersreuth erreichte. Hier hatte Hofmann das alte Schulhaus umgebaut. Seine Mutter hatte Kekse gebacken.
In die Wohnzimmerwand war die Kühlerhaube eines US-Oldtimers eingelassen, sein Zuhause war wie eine Ami-Kneipe gestaltet. Er selbst trug Jeans und Holzfällerhemd. Die blonden Locken waren schütter. „Ich weiß nicht”, sagte er, „ob es überhaupt Sinn macht, zu reden. Ich bin krank. Sehr krank.”
Er führte ein Leben nach der Uhr, nahm regelmäßig Medikamente - so wollte er die Parkinson-Schübe in den Griff bekommen, unter denen er litt. Aber irgendwann versagte sein Körper. „Ich konnte mir nicht vorstellen, das Parkinson ausgerechnet mich trifft”, sagte er, „ich war der blonde Opernheld, der Rockstar. Aber diese Krankheit passt wohl zu niemandem.”
Peter Hofmann hatte sich entschlossen, offensiv mit seiner Krankheit umzugehen. Er gründete eine Stiftung, half vielen. Nur für sich selbst wollte er die Krankheit nicht zulassen. Er trat ihr wie Siegmund gegenüber, der sich wehrt, Brünnhilde nach Walhall zu folgen.
Irgendwann holte er einen Golfschläger hervor, öffnete die Terrassentür und wollte mir beweisen, wie fit er noch ist. Er versuchte einmal, den Ball zu treffen, zweimal, nach dem dritten Mal sagte er: „Warten Sie, es klappt schon noch.” Und irgendwann schmetterte er das weiße Rund tatsächlich über die Felder. Lächelte. Für einen Schlag lang war er wieder Herr über seinen Körper.
Die letzten Jahre kämpfte er - an den Rollstuhl gefesselt - gegen Parkinson und Demenz.
Als ich ihn damals verlassen habe, sagte er: „Es würde mich freuen, wenn sich die Menschen sowohl an das ‚Phantom der Oper’ als auch an die ‚Walküre’ erinnern. Beides gehört zu meinem Leben.”
Vorgestern Nacht musste der Heldentenor die Macht der Götter annehmen - Peter Hofmann folgte Wotan nach Walhall. Der Tenor erlag mit 66 Jahren seiner Krankheit. Seine Jahrhundertstimme bleibt bei uns. Sie ist das Nachleben des Kämpfers für die Grenzenlosigkeit der Musik. Eines Helden zwischen Pop und Klassik.