Mensch Henscheid!

Es ist nun einmal so, dass Kritiker untereinander hauptsächlich neidisch sind. Und Wagner-Buch-Autoren gönnen einander nicht einmal, von den Walküren nach Walhall geschleppt zu werden. Ich weiß, wovon ich rede! Aber mal ehrlich: wenn Eckard Henscheid nun im neuen “Focus” über “das für alle Zeit besudelte Bayreuth” lamentiert und eine Altherren Wagner-Zitat-Orgie abfackelt, um am Ende zur Erkenntnis zu gelangen, dass Marthaler, Schlingensief, Herheim und Neuenfels ihm nicht gefallen, tja, dann versteht ein Wagnerianer die Welt nicht mehr. Oder geht es hier etwa nur um dumme, eitle Deutungshoheit im Leitmotivdschungel?

Ach ja, da ist natürlich auch noch die “Siemens-Deutsche Bank-Audi-Promotion-Welt”, die “unterm Panier Katharinas in Bayreuth noch alles an sich reißt.” Henscheid, der alte Mann, ist einst angetreten, um die Oper populär zu machen, sie den Menschen anzubieten und schmackhaft zu machen. Dabei hat er sich als Gralshüter freilich mindestens neben Gurnemanz gestellt.

Heute würde man ihm gern mal empfehlen, aus seinem Schreibstübchen wieder in die Welt zu kehren und zu schauen, wie 30.000 Menschen ganz unverbindlich zu Wagnerianern werden. Und das mitten in Bayreuth! Das also soll der Verrat an Wagner sein? Weil der Meister nur einen Meisterdeuter duldet? Oder ist es der Frust eines pensionierten Oberlehrers, dass seine Schüler längst bessere Meister als ihn gefunden haben. Aber wer hört auch schon gern auf eine Spaßbremse?

Mensch, Henscheid, so einen mauligen Aufsatz hat nicht einmal Nietzsche in seinen schlechtesten Jahren hinbekommen. Denn der ahnte wenigstens, dass seine Nörgeleien unzeitgemäß waren und er dem Revolutionär und ewigem Neuerer Wagner eigentlich verfallen war. Und wenigstens hat er sich die Dinge angeschaut, bevor er sie zerriss.

Henscheid, Sie waren doch einmal der geistreiche Polpulärmeister  der Oper - soll die Zeit für Sie nun stehenbleiben und zum Raum werden? Wollen wir Wagner konservieren? Damit sie sich im Lauf der Welt weiterhin wohlfühlen?